Donnerstag, 23. Mai 2013

1852 - Schöppner Sagenbuch I -107und 108, jeweils "Der Dollinger"

107. Der Dollinger.

Von Adelh. v. Stolterfoth.

Nach Regensburg am Donaustrand
Kam einst ein Riese hingerannt;
Craco war er geheißen
Und trug einen Helm von Eisen,
Der hat gewogen zwanzig Pfund;
Sein ehrner Schild war groß und rund,
Sein breites Schwert drei Ellen lang,
Ein Baum die Lanze, so er schwang,
Und einen Panzer hatt' er an,
Da stunden spitze Schuppen d'ran.
Sein Koller war ohn' alle Zier,
Die Haut vom Elephantenthier.
Der Ries' war gräulich anzuschaun,
Und Keiner mochte sich getrau'n
Mit ihm zu halten einen Reih'n,
Weil er ein Zaub'rer sollte sein,
Gefei't und fest, so wunderbar,
Als einst zu Worms Herr Siegfried war.
Da trieb er denn mit Allen Spott,
Schlug Mensch und Vieh, verlästert' Gott,
Und forderte den Kühnsten 'raus,
Mit ihm zu kämpfen blut'gen Strauß.
Doch alle Recken blieben stumm
Und wandten ihre Häupter um.
Darüber höhnte Craco sehr,
Rief: »keinen Tapfern gibt es mehr
In Kaiser Heinrich's ganzem Heer!«
Dies freche Wort aus Heidenmund
Ward auch dem Hans Dollinger kund;
Der aber saß in Kerkerhaft,
Weil er Verrath am Herrn geschafft.
Da ließ er nun ihn bitten sehr,
Daß er ihn doch um Deutschlands Ehr'
Sollt' aus dem Kerker lassen geh'n
Mit Gott den Zweikampf zu besteh'n;
Gleich käm' er wieder dann zurück,
Erwartend sein verdient Geschick.
Als nun der tapfre Kaiser hört,
Daß der allein den Kampf begehrt,
Sn läßt er gleich ihn freudig los,
Gibt ihm ein Roß auch, stark und groß,
Und ehr'nen Schild und blankes Schwert;
Doch was zumeist im Kampf ist werth,
Das bringt der Ritter selber mit –
Der Andre ließ ihn warten nit.
Und als nun die Trommet' erklang,
Ein Jeder seine Lanze schwang.
Die Rosse bäumten sich empor,
Den Bügel Dollinger verlor,
Er stürzte nieder in den Sand,
Erhob sich aber gleich gewandt.
D'rauf nahm man andre Lanzen an,
Doch Keiner hat was Rechts gethan.
Das Drittemal mit Löwenkraft
Schwingt Dollinger der Lanze Schaft,
Die saust dem Riesen durch's Visier
Und theilet Helm und Schädel schier.
Da jubeln alle Franken laut,
[110] Und Alles auf den Sieger schaut;
Der aber kniet und danket Gott,
Daß er gesiegt ob Heidenspott.
Dann macht er wieder sich bereit,
Zu geh'n in Kerkernacht und Leid.
Da ruft der Kaiser: »Hans, wohin?
Ich hab' von Herzen dir verzieh'n:
Zieh' nur dem Feind die Waffen aus
Und häng sie in ein Gotteshaus.«
Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 109-110.
Lizenz:
 
 
 
108. Der Dollinger.

Von Franz Schmidt.

Wer denkt wol auf dem Heidplatz im grauen Regensburg
Noch, wie der Heide Craco wild ritt die Straßen durch.
Mit rohem Hohngelächter rief er: all Christenkind
Bewähr mit mir im Kampfe, was Christengötter sind.
Er kam an Körperlänge nah einem Reiterspeer,
Gleich einer Hand an Breite war seine Seitenwehr.
Die Haut vom Elephanten umzog ihm Hals und Brust,
Er schwang die Eisenstange, als übt er Jägerlust.
Es dröhnten bang die Straßen von seines Rosses Huf,
Es weinten Kind und Mutter, erscholl sein Todesruf.
Da klirrten auf die Riegel von eines Bürgers Haus –
Es ritt hervor mit Muthe Hans Dollinger zum Straus.
Sie haben hart gerungen, mit Stoßen, Hieb und Stich,
Bis Hansens Adern floßen, und er wie leblos wich.
Es scholl der Heiden Jubel, bang schwieg die Christenschaar –
Als zwischen beiden Streitern man ward ein Kreuz gewahr
Von frommer Hand erhoben, wie Mondenflimmerlicht.
Da bäumt sich Cracos Märe, und seine Lanze bricht.
Vom Christenspeer getroffen sank er erblaßt und schrie:
»Daß ich der Christen Götter zum Kampf gefordert nie!«
Ihr Regensburger Bürger, die ihr am Heidplatz wohnt,
Merkt euch, wie Gottvertrauen stets unser Heiland lohnt.
Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 110.
Lizenz: