Verne, Jules, Romane, Der Pilot von der Donau - Zeno.org
Text-Ausgabe des Buchs mit gescannten Bildern
Kapitel 5 und 6 spielen in Regensburg
Auszug aus Kapitel 5:
Im Bewußtsein, an der Bewunderung der Leute keinen
Anteil zu hab en, hatte der sich bescheiden unter das Kojendach
zurückgezogen, wo Ilia Brusch ihn aufsuchte, sobald er seiner
enthusiastischen Bewunderer quitt geworden war. Es galt jetzt keine Zeit
zu verlieren, um zu schlafen, da die Nachtruhe nur kurz sein sollte. Da
Ilia Brusch daran gelegen war, in dem volle sechzig Kilometer
entfernten Regensburg beizeiten einzutreffen, hatte er sich vorgenommen,
in sehr früher Morgenstunde weiterzufahren, weil er dann trotz der
langen Strecke noch Zeit gewann, auch morgen zu fischen.
Gegen dreißig Pfund Fische hatte Ilia Brusch denn
auch schon am Vormittag erbeutet, und die Neugierigen, die sich auf dem
Kai in Regensburg drängten, hatten es nicht zu bereuen, sich
seinetwegen hierherbegeben zu haben. Der Enthusiasmus der Menge nahm
sichtlich zu. Die Liebhaber überboten einander, und die dreißig Pfund
Fische brachten dem Preisträger des Donaubundes nicht weniger als
einundvierzig Gulden ein.
Dieser selbst hätte sich einen solchen Erfolg
niemals träumen lassen und er kam schon auf den Gedanken, daß Jäger
schließlich ein vorzügliches Geschäft machen werde. Jetzt fühlte er sich
natürlich verpflichtet, die einundvierzig Gulden ihrem rechtmäßigen
Eigentümer zu überliefern, sah sich augenblicklich dazu aber
außerstande. Jäger hatte sich unbemerkt von der Jolle entfernt und an
seinen Begleiter nur die kurze Mitteilung hinterlassen, daß dieser mit
dem Abendessen nicht auf ihn warten möge, da er erst spät am Abend
zurückkehren würde.
Ilia Brusch fand es ganz natürlich, daß Jäger die
Gelegenheit benützen wollte, eine Stadt zu besuchen, die einst fünfzig
Jahre lang kaiserliche Residenz gewesen war. Vielleicht wäre er darüber
weniger zufrieden als erstaunt gewesen, wenn er gewußt hätte, was sein
Passagier hier vorhatte, und wenn ihm dessen Person richtig bekannt
gewesen wäre.
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»Herr Jäger, Wien, Leipziger Straße 43« hatte Ilia Brusch gelehrig
nach dem Diktat des neuen Ankömmlings geschrieben. Der wäre aber in arge
Verlegenheit gekommen, wenn der Fischer neugieriger gewesen wäre und
vielleicht, indem er selbst eine Befragung vornahm, deren
Unannehmlichkeit er am eigenen Leibe gespürt hatte, von Jäger verlangt
hätte, ihm seine Papiere vorzuzeigen.
Ilia Brusch vernachlässigte diese Vorsicht, deren
Rechtmäßigkeit ihm ja deutlich demonstriert worden war, und diese
Vernachlässigung sollte für ihn die schlimmsten Folgen haben.
Welchen Namen der Gendarm auf dem ihm von Jäger
vorgewiesenen Passe gelesen hatte, wußte niemand; wenn das aber der des
wirklichen Eigentümers gewesen war, konnte es nur der Name Karl Dragoch
sein.
Der leidenschaftliche Angelfreund und der Chef
der neuen Donaupolizei waren tatsächlich ein und dieselbe Person.
Entschlossen, in Ilia Bruschs Boot um jeden Preis Aufnahme zu finden,
hatte Karl Dragoch, in Voraussicht der Möglichkeit eines kaum zu
überwindenden Widerstandes, seine Maßregeln danach getroffen. Das
Eingreifen des Gendarmen war eine abgekartete Sache und der Auftritt
ebenso wie einer auf der Bühne vorbereitet gewesen.
Der Erfolg zeigte, daß Karl Dragoch richtig
gerechnet hatte, denn Ilia Brusch betrachtete es jetzt, gegenüber
ähnlichen, ihm vielleicht drohenden Gefahren, für ein Glück, einen
Beschützer zu haben, an dessen mächtigem Einflusse er nicht zweifeln
konnte.
Dieser Erfolg war sogar so groß gewesen, daß
Dragoch sich darüber wunderte. Warum hatte sich Ilia Brusch dem
Auftreten des Gendarmen gegenüber so auffallend ängstlich gezeigt? Warum
hatte er eine solche Furcht, nochmals einem Abenteuer dieser Art zu
begegnen, daß er dieser Furcht sogar die – übrigens auch etwas
übertriebene – Vorliebe für das Alleinsein opferte? Ein ehrlicher Mann
hat doch – zum Kuckuck! – das Erscheinen vor einem Polizeikommissar
nicht zu fürchten. Die schlimmste Folge davon konnte doch nur eine
Verzögerung von einigen Stunden, höchstens einigen Tagen sein, und wenn
man keine besondre Eile hat... Doch, Ilia Brusch schien es ja sehr eilig
zu haben, und das gab wiederum zu denken.
[68]
Von Natur mißtrauisch, wie jeder gute Polizist, dachte Karl Dragoch
darüber nach. Er hatte aber zuviel gefunden Menschenverstand, sich durch
flüchtige Einzelheiten irreführen zu lassen, die später vielleicht eine
ganz einfache Erklärung fanden. Er prägte seinem Gedächtnis also nur
kleine Beobachtungen ein und verwendete seine geistigen Anlagen auf die
Lösung des ihm am Herzen liegenden Problems, das ja wichtiger war, als
jener unbedeutende Zwischenfall.
Der Plan, den Karl Dragoch verfolgte, als er sich
Ilia Brusch als Passagier aufdrängte, war keineswegs in seinem Gehirn
entsprungen. Dessen wahrhafter Urheber war vielmehr Michael
Michaelowitsch gewesen, der davon freilich nichts ahnte. Als der lustige
Serbe scherzweise geäußert hatte, der Preisträger des Donaubundes
könnte ja – je nach Belieben – entweder der verfolgte Verbrecher oder
der verfolgende Polizist sein, da hatte Dragoch diesen leicht
hingeworfenen Worten eine ernste Aufmerksamkeit geschenkt. Natürlich
hatte er sie nicht wörtlich genommen. Er wußte ja recht gut, daß der
Fischer und der Polizist nichts miteinander gemein hatten, und er
betrachtete es deshalb als höchstwahrscheinlich, daß der Fischer auch
nicht mehr Beziehung zu dem Verbrecher haben werde. Daraus aber, daß
eine Tat nicht begangen worden ist, folgt ja nicht, daß dies nicht noch
geschehen könnte, und Karl Dragoch dachte sogleich, daß der lustige
Serbe damit recht haben könne, daß ein Detektiv, der die Donau zu
überwachen wünschte, nichts besseres tun könnte, als sich als Fischer zu
verkleiden, damit niemand in ihm seinen wahren Beruf vermutete.
So verlockend diese Kombination auch erschien,
mußte er sie doch außer acht lassen. Der Wettstreit von Sigmaringen
hatte stattgefunden, und Ilia Brusch, der Sieger im Turnier, hatte
öffentlich seine Absicht angekündigt, und gewiß würde er nicht zu haben
sein, dabei einen andern an seine Stelle treten zu lassen. Übrigens wäre
das auch ein sehr gewagter Personenwechsel gewesen, da die Züge des
Preisträgers viel zu vielen seiner Kollegen bekannt waren.
Wenn er sich aber nun sagen mußte, daß Ilia
Brusch nicht zustimmen würde, die angekündigte Reise unter seinem Namen
von einem andern unternehmen zu lassen, konnte er seinen Zweck doch
vielleicht auf Umwegen erreichen. Bei der Unmöglichkeit, selbst als Ilia
Brusch aufzutreten, konnte sich Karl Dragoch ja damit begnügen, diesen
auf der Fahrt in seinem
[69]
Boote zu begleiten. Wer würde da auf den Begleiter eines Mannes
achten, der fast berühmt geworden war und der folglich das öffentliche
Interesse auf sich konzentrierte? Und selbst wenn einer einen flüchtigen
Blick auf den unbekannten Begleiter warf, würde er doch niemals auf den
Gedanken kommen, in diesem den Polizisten zu sehen, der hier im Schutze
eines Inkognitos seinen Auftrag erledigte.
Nach langer Prüfung dieses Planes erschien er
Karl Dragoch ganz vortrefflich, so daß er beschloß, ihn auszuführen. Der
Leser weiß, wie ungemein geschickt er die erste Szene beim
Zusammentreffen zu gestalten wußte, dieser wären, wenn nötig, aber auch
noch andre ähnliche gefolgt. Wenn es nicht anders ging, wäre Ilia Brusch
dem Polizeikommissar zugeführt, sogar unter irgendwelchem Vorwande in
Hast genommen und auf hunderterlei Weise in Angst gesetzt worden. Karl
Dragoch hätte jedenfalls ohne Gewissens bisse ganz nach Willkür
gehandelt, bis der erschreckte Fischer in dem erst abgewiesenen
Passagier nichts andres als seinen Retter aus der Not erblickt hätte.
Der Detektiv schätzte sich jetzt aber immerhin
glücklich, ohne moralischen Zwang gesiegt zu haben und diese Komödie nur
bis zum ersten Akte haben spielen zu brauchen.
Jetzt saß er an dem gewünschten Platze,
überzeugt, daß sein Wirt, wenn er diesen Platz verlassen wollte, dem
ebenso bestimmt, wie früher seiner Aufnahme in das Boot, widersprochen
haben würde. Nun galt es, die günstige Lage auszunützen.
Dazu brauchte sich Karl Dragoch ja nur von der
Strömung mit hinabtragen zu lassen. Während sein Begleiter angelte oder
ruderte, konnte er den Strom im Auge behalten, wo seinem geübten Blicke
nichts Auffallendes entgehen würde. Unterwegs aber konnte er sich mit
seinen längs der Ufer verstreuten Untergebenen besprechen. Auf die erste
Meldung einer Untat oder eines Verbrechens wollte er sich von Ilia
Brusch trennen, um den Übeltätern nachzuspüren, und dasselbe
beabsichtigte er auch, wenn ein verdächtiges Vorkommnis, ohne daß es
noch zur Ausführung eines Verbrechens gekommen war, seine Aufmerksamkeit
erweckte.
Alles das war klug und weise ausgedacht, und je
mehr er sich's überlegte, desto mehr beglückwünschte sich Karl Dragoch
wegen seiner Idee, die seine Aussichten auf Erfolg vervielfältigte,
während sie sein Inkognito
[70]
auf der ganzen Donaustrecke sicherte. Bei diesem Gedankengange hatte
Karl Dragoch aber leider den Zufall außer Rechnung gelassen. Es kam ihm
gar nicht in den Sinn, daß eine Reihe seltsamer Ereignisse seine
Nachforschungen nach einer ganz andern Richtung ablenken und seiner
Aufgabe unerwartet weitere Grenzen stecken würde.
Sechstes Kapitel.
Die blauen Augen.
[70]
Als Karl Dragoch die Jolle verlassen hatte, begab er sich nach den
innern Stadtteilen. Er kannte Regensburg, und, ohne über die
einzuhaltende Richtung im Zweifel zu sein, wanderte er durch die
stillen, da und dort von zehn Stockwerke hohen Warttürmen unterbrochenen
Straßen der einst geräuschvollen Stadt, die gegenwärtig kaum von einer
Bevölkerung von sechsundzwanzigtausend Seelen belebt wird.
Karl Dragoch dachte jedoch nicht daran, die Stadt
zu besuchen, wie Ilia Brusch glaubte, Er reiste ja nicht als Tourist.
Unweit von der Brücke kam er schon nach dem Dome, einem großen Bauwerke
mit unvollendeten Türmen; er warf aber nur einen flüchtigen Blick auf
dessen merkwürdiges Portal, das aus dem 15. Jahrhundert stammt.
Ebensowenig dachte er daran, den Palast der Fürsten von Thurn und Taxis
zu bewundern, oder die gotische Kapelle und das spitzbogige Kloster, so
wenig wie die merkwürdige Sammlung von Pfeifen – übrigens eine
Sehenswürdigkeit – die dieses enthält. Auch das Rathaus, den
einstmaligen Sitz des Reichstags, dessen Saal mit sehr alten Tapeten
geschmückt ist, wollte er nicht besuchen, wo noch vom Wachtmeister nicht
ohne einen gewissen Stolz die Folterkammer mit all ihren schrecklichen
Marterwerkzeugen gezeigt wird. Ein Trinkgeld für einen ortskundigen
Führer brauchte er auch nicht auszugeben. Er bedurfte keines solchen,
und ohne jemandes Hilfe kam er nach dem Postgebäude, wo mehrere Briefe
unter verabredeter Chiffre seiner warteten.
[71]
Nachdem er die Briefe gelesen hatte, ohne daß seine Züge sich dabei
veränderten, wollte er eben den Schalterraum verlassen, als ein ziemlich
gewöhnlicher Mann ihm an der Tür entgegentrat.
Dieser Mann und Dragoch kannten einander denn mit
einer Handbewegung unterbrach der Detektiv den andern als der zu
sprechen anfangen wollte. Die Geste bedeutete offenbar: »Nicht hier.« Da
begaben sich beide nach einem Platze in der Nähe.
»Warum hast du mich nicht am Stromufer erwartet? fragte Karl Dragoch, als er sich vor indiskreten Lauschern geschützt glaubte.
– Ich fürchtete, Sie zu verfehlen, lautete die Antwort. Und da ich wußte, daß Sie nach der Post kommen würden...
– Schon gut; du bist jetzt da, das ist die Hauptsache, unterbrach ihn Karl Dragoch. Nichts neues?
– Gar nichts.
– Nicht einmal ein gewöhnlicher Diebstahl in dem Bezirke?
– Weder im hiesigen Bezirke noch anderswo längs der Donau.
– Bis wieweit reichen deine letzten eingelaufenen Meldungen?
– Es war kaum vor zwei Stunden, wo ich von
Zentralbureau in Budapest ein Telegramm erhalten habe. Auf der ganzen
Linie ist alles ruhig.«
Karl Dragoch sann einen Augenblick nach.
»Du wirst dich an meiner Stelle nach dem
Polizeibureau begeben, dort deinen Namen, Friedrich Uhlmann, nennen und
bitten, es dir schleunigst zu melden, wenn irgend etwas vorfallen
sollte. Dann reisest du sofort nach Wien ab.
– Aber unsre Leute?
– Die laß meine Sorge sein. Ich werde sie schon
im Vorüberkommen sehen. Stelldichein in Wien, heut über acht Tage... so
lautet der Tagesbefehl.
– Dann wollen Sie den obern Fluß also ohne Bewachung lassen? fragte Uhlmann.
– Dort wird die Ortspolizei genügen, antwortete
Dragoch, und beim geringsten Alarm sind wir sofort zur Stelle. Bisher
ist übrigens oberhalb Wiens nichts passiert, was uns besonders anginge.
So dumm sind unsre Leute nicht, ihre Tätigkeit so weit vom
Hauptstützpunkte zu verlegen.
[72] – Ihrem Hauptstützpunkte? wiederholte Uhlmann Hätten Sie darüber besondre Nachrichten?
– Nein, jedenfalls aber eine Ansicht.
– Und die wäre?
– Zu neugierig, Uhlmann... Ich sage aber, daß wir zuerst jedenfalls zwischen Wien und Budapest zu tun haben werden.
– Warum dort zuerst?
– Weil dort das letzte Verbrechen begangen worden
ist. Du weißt doch von dem Landmann, dem sie eingeheizt haben und den
man bis zu den Knien verbrannt aufgefunden hat.
– Für die Kerle ein Grund mehr, ihre Tätigkeit anderswohin zu verlegen.
– Warum das?
– Weil sie sich sagen werden, daß die Gegend, wo
jenes Verbrechen verübt worden ist, besonders scharf überwacht sein
wird. Sie müssen also weiter ziehen, ihr Glück zu versuchen. So haben
sie es wenigstens bis jetzt gehalten: nie zweimal hintereinander an
demselben Orte.
– Da haben sie wie Dummköpfe geurteilt, und du,
Friedrich Uhlmann, du machst es nicht viel besser, erwiderte Karl
Dragoch. Doch gerade auf ihre Dummheit rechne ich. Alle Zeitungen haben
mir, wie du gesehen haben mußt, einen ähnlichen Gedankengang
zugeschrieben. Sie haben mit lieblicher Übereinstimmung berichtet, daß
ich die obere Donau verließe, wo die Burschen nicht wieder aufzutreten
wagen würden, und daß ich mich nach dem südlichen Ungarn zu begeben
gedächte. Ich brauche dir wohl nicht versichern, daß daran kein wahres
Wort ist, du kannst aber glauben, daß jene tendenziösen Mitteilungen
ihre Wirkung auf die Betreffenden nicht verfehlt haben.
– Und daraus schließen Sie?...
– Daß sie das südliche Ungarn vermeiden werden, um dem Wolfe nicht in den Rachen zu laufen.
– Die Donau ist nur sehr lang, wendete Uhlmann ein; sie geht durch Serbien, Rumänien und die Türkei...
– Richtig; aber der Krieg? Dort ist für sie nichts zu holen. Das wird sich ja bald zeigen.«
Karl Dragoch schwieg einen Augenblick still.
[75] »Hat man meine Anweisungen gewissenhaft befolgt? fuhr er dann fort.
– Ganz gewissenhaft.
– Die Überwachung des Stromes ist fortgesetzt worden?
– Tag und Nacht.
– Ohne daß etwas Verdächtiges bemerkt worden ist?
– Nicht das geringste. Alle Jollen, alle Schuten
hatten ihre Papiere in Ordnung. Ich muß Ihnen hierbei jedoch sagen, daß
diese strenge Kontrolle rechte Unzufriedenheit erregte. Die Flußschiffer
erheben dagegen Einspruch, und ich finde, daß sie damit nicht unrecht
haben. Auf den Fahrzeugen, sagen sie, wäre doch nichts zu suchen, und
auf dem Wasser wären doch keine Verbrechen begangen worden.«
»Stelle dich, als ob du mich nicht kenntest.« (S. 76.)
Karl Dragoch runzelte die Brauen.
»Ich halte die Besichtigung der Jollen, der
Schuten und selbst der kleinsten Boote für sehr wichtig, antwortete er
trocknen Tones, und möchte hiermit ein-für allemal ausgesprochen haben,
daß ich Einwendungen dieser Art nicht liebe.«
Uhlmann bog sich, so zurechtgewiesen, etwas zusammen.
»Schön, wie Sie wünschen, Herr Dragoch!«
Dieser aber fuhr fort:
»Ich weiß noch nicht, was ich tun werde.
Vielleicht bleib' ich in Wien, vielleicht begebe ich mich noch nach
Belgrad. Das hängt von Umständen ab. Da es aber darauf ankommt, mich auf
dem Laufenden zu erhalten, wirst du mir immer schriftlich Nachricht,
und zwar in soviel Exemplaren geben, wie zur Verteilung an unsre
zwischen Regensburg und Wien stationierten Leute nötig sind.
– Schön, Herr Dragoch, antwortete Uhlmann. Doch ich... wo werde ich Sie wiedersehen?
– Wie ich schon gesagt habe, nach acht Tagen in Wien«, erwiderte der Detektiv.
Dann dachte er einige Augenblicke nach.
»Vergiß nicht, nach der Polizei zu gehen, und dann benutze den ersten Zug.«
Uhlmann entfernte sich bereits, als Karl Dragoch ihn zurückrief.
»Du hast doch wohl von einem Fischer, einem gewissen Ilia Brusch, reden hören? fragte er.
[76] – Von dem, der es unternommen hat, mit der Angel in der Hand die ganze Donau hinunterzufahren?
– Ganz recht. Wenn du mich also einmal mit dem siehst, so stelle dich, als ob du mich nicht kenntest.«
Hiermit trennten sich beide. Uhlmann verschwand
im obren Stadtteile, während Karl Dragoch das Hotel zum Goldnen Kreuz
aufsuchte, wo er speisen wollte.
Als er an der Tafel Platz nahm, saßen bereits ein
Dutzend Gäste daran, die sich von dem und jenem unterhielten. Karl
Dragoch aß mit bestem Appetit, mischte sich aber nicht in das allgemeine
Gespräch. Er horchte nur, wie ein Mann, der das Ohr offen zu halten
gewöhnt ist, auf alles, was rings um ihn gesagt wurde. Dabei hörte er
auch wie einer der Tischgäste an seinen Nachbar die Frage richtete:
»Nun, und von der berüchtigten Bande weiß man noch weiter nichts?
– Nicht mehr als von dem berühmten Brusch,
antwortete der andre. Man erwartete sein Eintreffen in Regensburg, bis
jetzt hat man aber noch nichts davon gehört.
– Das ist merkwürdig.
– Wenn Brusch und der Anführer der Bande nicht einunddieselbe Person ist.
– Das ist wohl zum Lachen!
– Nun... wer kann's wissen?...«
Karl Dragoch hatte die Augen erhoben. Das war zum
zweite einmal, daß diese Vermutung, wenn auch in der Luft schwebend,
seine Aufmerksamkeit erregte. Er zuckte dazu aber nur unbemerkbar mit
den Achseln und vollendete seine Mahlzeit, ohne ein Wort geäußert zu
haben. Das waren doch wohl nur leichte Redereien. Und er mußte gut
unterrichtet sein, jener Schwätzer, daß er von Bruschs Ankunft in
Regensburg noch nicht einmal etwas wußte.
Nach Beendigung seines Abendessens ging Karl
Dragoch wieder nach den Kais hinunter. Er wendete sich jedoch nicht
gleich der Jolle zu, sondern blieb kurze Zeit auf der alten Steinbrücke
stehen, die Regensburg mit seinem Vororte Stadt am Hof verbindet. Hier
blickte er über den Strom hin, wo einige Fahrzeuge im letzten
Tagesschimmer noch eilig dahinglitten.
[77]
Dabei versank er völlig in seine Gedanken, als sich eine Hand auf
seine Schulter legte und ihn gleichzeitig eine wohlbekannte Stimme
anrief.
»Man sollte glauben, Herr Jäger, daß das alles hier Sie besonders interessierte.«
Karl Dragoch sah sich um und erkannte, ihm dicht gegenüber, Ilia Brusch, der ihm lächelnd ins Gesicht sah.
»Ja gewiß, antwortete er, das Leben auf dem Strom hat etwas anziehendes, so daß ich nicht müde werde, es zu betrachten.
– O, Herr Jäger, da wird es Sie noch mehr
interessieren, wenn wir erst auf den Unterlauf des Stromes kommen, wo
noch weit mehr Schiffe verkehren. Sie sollen das einmal sehen, wenn wir
am Eisernen Tor sind. Kennen Sie das?
– Nein, antwortete Dragoch.
– Das muß man gesehen haben! erklärte Ilia Brusch
eifrig. Wenn es auf Erden keinen schöneren Strom als die Donau gibt, so
gibt es längs der ganzen Donau keine schönere Stelle als dieses Eiserne
Tor!«
Inzwischen war es völlig dunkel geworden. Ilia Bruschs große Taschenuhr zeigte auf die neunte Stunde.
»Ich befand mich unten in der Jolle, als ich Sie,
Herr Jäger, auf der Brücke erkannte. Wenn ich Sie aufgesucht habe,
geschah das nur, um Ihnen zu melden, daß wir morgen ganz zeitig abfahren
müssen und es deshalb wohl geraten erscheint, uns bald niederzulegen.
– Ich folge Ihnen, Herr Brusch«, sagte einfach Karl Dragoch.
Beide stiegen nun zum Ufer hinunter. Als sie um das Ende der Brücke schritten begann der Passagier:
»Nun, und der Verkauf unsrer Fische, Herr Brusch? Sind Sie damit zufrieden gewesen?
– Mehr als zufrieden. Herr Jäger. Ich habe Ihnen einundvierzig Gulden zu überliefern.
– Das wären mit den siebenundzwanzig früher ein
genommenen schon achtundsechzig Gulden. Und jetzt sind wir erst in
Regensburg. Ach, mein Herr Brusch, das Geschäft scheint nicht so
schlecht zu werden!
– Das glaub' ich jetzt fast selbst«, meinte der Fischer.
Eine Viertelstunde später schlummerten beide
nebeneinander, und bei Sonnenaufgang war das Fahrzeug schon fünf
Kilometer von Regensburg
[78]
entfernt. Stromabwärts von dieser Stadt gewähren die Ufer der Donau
einen sehr wechselnden Anblick. Auf dem rechten dehnen sich über
Sehweite hinaus fruchtbare Ebenen aus, ein lachender, ertragreicher
Landstrich, wo es weder an Dörfern noch an Städten fehlt, während das
linke von dichten Waldmassen gesäumt ist hinter denen sich Hügel
erheben, die bis zum Böhmerwalde reichen.
Im Vorüberfahren konnten Jäger und Ilia Brusch
den Sommersitz der Fürsten von Thurn und Taxis sehen auch das alte
Bischofsschloß von Regensburg, und weiterhin, auf dem Salvatorberge, die
Walhalla, eine Art unter den Himmel Bayerns – denn der gleicht nicht
dem Attikas – verirrtes Parthenon, das einst König Ludwig I. erbaut
hatte. Das Innere bildet ein Museum mit den Büsten der Helden und andern
Berühmtheiten Deutschlands, es steht aber seiner Anlage nach gegen die
schöne Außenarchitektur zurück. Wenn die Walhalla also auch nicht dem
Parthenon Athens gleichkommt, so übertrifft sie doch bei weitem das
entsprechende ähnliche Gebäude, womit die Schotten einen der Hügel von
Edinburg, des »alten Rauchfangs«, geschmückt haben.
Die Entfernung zwischen Regensburg und Wien ist,
wenn man den vielen Windungen der Donau folgt, sehr groß. An dieser
vierhundertfünfundsiebzig Kilometer langen Wasserstraße liegen aber nur
sehr wenige, einigermaßen bedeutende Städte. Von diesen wäre nur
Straubing, die Kornkammer Bayerns, zu nennen, wo die Jolle am Abend des
18. August anhielt, ferner Passau, das am 20. erreicht wurde, und Linz,
an dem sie im Laufe des 21. vorüberkam. Außer diesen Städten, von denen
die beiden letzten eine gewisse strategische Bedeutung haben, von denen
aber keine über zwanzigtausend Einwohner zählt, gibt es hier nur ganz
unbedeutende Ortschaften.
http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Pilot_von_der_Donau
Der Pilot von der Donau
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Titelseite der französischen Originalausgabe mit einer Illustration des Zeichners
George Roux
Illustration aus dem Roman von dem Zeichner George Roux
Der Pilot von der Donau (auch
Der Donaulotse,
Der Donauschiffer oder
Der Donaupilot) ist ein
Roman des französischen Autors
Jules Verne, der das Manuskript 1901 geschrieben hat. Der Roman wurde erstmals 1908 posthum von dem Verlag
Pierre-Jules Hetzel veröffentlicht. Eine Vorab-Veröffentlichung erschien erstmals unter dem
französischen Originaltitel
Le pilot du Danube in dem
Le Journal in der Zeit vom 24. September bis zum 2. November 1908. Die erste
deutschsprachige Ausgabe erschien unter dem Titel
Der Pilot von der Donau im November 1908. Der
englische Titel des Romans lautet
The Danube Pilot.
Handlung
Die Menschen an den Ufern der
Donau werden von einer Verbrecherbande durch Raub und Mord bedroht. Die Bevölkerung ist durch die Vorfälle beunruhigt. Die Polizei konnte die Verbrecher bisher nicht fassen. Der
Detektiv Karl Dragoch erhält den Auftrag die Bande mit Hilfe einer Spezialeinheit zu ergreifen.
Der Fischer Ilia Brusch fährt in seiner
Jolle die Donau flussabwärts in Richtung
Schwarzen Meer. Ein Fremder drängt sich ihm als Passagier auf, der sich als ein Tourist mit dem Namen Jäger ausgibt. Der Freiheitskämpfer Serge Ladko, der in
Bulgarien gegen die Herrschaft der
Türken kämpft, wird unterdessen mit einem Verbrecher verwechselt, der seinen Namen verwendet. Bei dem Reisenden Jäger handelt es sich in Wirklichkeit um den Detektiv Dragoch und Brusch ist der wirkliche Ladko. Der Verbrecher der den Namen von Ladko verwendet heißt in Wirklichkeit Striga und hat Ladkos Frau auf einem Schiff seiner Bande in seiner Gewalt. Die Flusspiraten werden schließlich mit der Hilfe des echten Ladko unschädlich gemacht. Dieser findet schließlich an Bord des Schiffes der Flusspiraten seine geliebte Frau wieder.
Radio-Feature
Literatur
- Heinrich Pleticha (Hrsg.): Jules Verne Handbuch. Deutscher Bücherbund/Bertelsmann, Stuttgart und München 1992.
- Volker Dehs und Ralf Junkerjürgen: Jules Verne. Stimmen und Deutungen zu seinem Werk. Phantastische Bibliothek Wetzlar, Wetzlar 2005.
- Volker Dehs: Jules Verne. Jules Verne. Eine kritische Biographie. Artemis & Winkler, Düsseldorf 2005. ISBN 3-538-07208-6
Weblinks
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außerdem interessante Details, die nicht in Wikipedia stehen, auf:
http://www.j-verne.de/verne66.html
Der Donaulotse (1908) auch Der Pilot von der Donau, Der Donauschiffer oder Der Donaupilot
Das Manuskript wurde von Jules Verne 1901 geschrieben. Die Fertigstellung erfolgte durch Michel Verne, der auch maßgeblich die Hauptfigur schuf. Dabei passierte ihm allerdings ein Fehlgriff: „Ungeschickterweise benutzte er den Namen einer Urlaubsbekanntschaft für die Person eines Verbrechers, und so mußte, als der >Verleumdete< einen Prozess in Gang setzte, die gesamte Erstauflage revidiert werden. /1/. Die Erstausgabe erschien 1908 zum Weihnachtsgeschäft unter dem Titel Le pilot du Danube bei J. Hetzel in Paris. Eine französische Vorab-Veröffentlichung gab in Le Journal vom 24. Sept. bis 2. November 1908. Die deutschsprachige Erstausgabe erschien bei Hartleben in der Reihe Collection Verne Band 84 ebenfalls schon im November 1908. Erst 1909 erschien die großformatige vollillustrierte Ausgabe im Rahmen der Serie Bekannte und unbekannte Welten ... im Band 94 (siehe links /2/)
Diese Buch ist eine Mischung zwischen Abenteuer- und Kriminalroman. Eine Bande von Verbrechern macht die Ufer der Donau unsicher. Mord und Raub beunruhigen die Bevölkerung, doch der Polizei ist es bisher nicht gelungen, die Banditen zu fassen. Da erhält der bewährter Detektiv Karl Dragoch den Auftrag, mit Hilfe einer Spezialtruppe die Bande dingfest zu machen. Zur gleichen Zeit fährt der Fischer Ilia Brusch in seiner Jolle die