Felix Dahn: Kaiser Karl und seine Paladine - Kapitel 8
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Sechstes Kapitel.
Karl und der Südosten: Bayern, Avaren, Südslaven.
Im Südosten der Avaren saßen die
Bulgaren, im Nordosten die
Madgyaren,
beide für Karl unerreichbar; aber auch in rein nordsüdlicher Richtung
war den Avaren nicht beizukommen, im Norden waren sie durch unabhängige
slavische Völker gedeckt. Die Hauptrichtung für den fränkischen Angriff
mußte die von West nach Ost sein: hier bildete
Bayern die Grundlage der Bewegungen; waren doch jene mongolischen Unholde Nachbarn der Bayern geworden: bis an die
Enns
waren sie vorgedrungen, dieser Fluß bildete die Grenze. Dementsprechend
verwendete Karl in den Avaren-Kriegen ganz besonders den
bayerischen
Heerbann, und wie im Kriege hat auch nach dem Frieden der bayerische
Stamm sich auch hier wieder die größten Verdienste erworben, indem er
nicht nur das Christentum, auch edlere germanische Gesittung in höchst
erfolgreicher Besiedelung nach Osten trug. Als natürliche Straße in das
Innere des Avaren-Landes bot sich die Donau, welche zuerst (bis
Waitzen)
westöstlich, dann nordsüdlich, endlich wieder westöstlich ihr weites
Gebiet durchzog. Und in ausgedehntestem Maße hat Karl diese Wasserstraße
verwertet. Die Hauptschwierigkeit in den Avaren-Kriegen bildete die
Entlegenheit des Kriegsschauplatzes von den Hilfsquellen der fränkischen
Macht: es war damals – d. h. bei den damaligen Straßen und
Verkehrsmitteln – sehr weit von
Toulouse bis
Paris, von
Paris bis
Aachen, von
Aachen bis
Regensburg, von
Regensburg bis
Belgrad. Karl verwendete nun die
Donau dazu, von
Regensburg – seinem
Ausgangspunkt für die Avaren-Kriege – Mannschaften, ganz besonders aber
Lebensmittel, Vorräte, Kriegsgerät jeder Art den vordringenden Heeren
nachzuschieben; in dem unwirtlichen Lande war es schwer, Mann und Roß zu
verpflegen. Aber er begnügte sich nicht mit ihrem natürlichen Lauf; er
hat es ja bekanntlich versucht, die
Donau mittels des
Mains mit dem
Rhein in Verbindung zu setzen, indem er (
793) im
Suala-Feld, d. h. an der
Schwale, einem Nebenfluß der
Wernitz, die schwäbische
Rezat, einen Nebenfluß der
Rednitz, zwischen
Pleinfeld und
Treuchtlingen (noch heute heißt dort ein Ort »
Graben«) durch
einen 23 Meilen langen Kanal mit der Altmühl
verband, so daß man also vom Rhein in den Main, vom Main durch Rednitz
und Rezat in den Kanal, durch diesen in die Altmühl und in die Donau
gelangen konnte. (Der heutige
Donau-Main-Kanal hat bekanntlich
andre Lage und viel geringere Länge.) Es läßt sich beweisen, daß dieser
Kanal keineswegs Handelszwecken dienen sollte, wie man behauptet hat.
Alle Quellen – und das außerordentliche Werk machte den Zeitgenossen
solchen Eindruck, daß auch die dürftigsten Annalen, auch die
fernstliegenden Klöster sein erwähnen – bringen den Plan in
unmittelbarsten Zusammenhang mit den Vorbereitungen zu einem zweiten
Avaren-Krieg, welche Karl im Jahre 793 monatelang zu Regensburg betrieb,
nachdem man in dem ersten Feldzug (von 791) die Schwierigkeiten des
Nachschubs erfahren und zumal sehr viele Pferde verloren hatte. Man hat
auch wohl gemeint, der Kanal habe zwar kriegerischen Zwecken, aber
umgekehrt dazu dienen sollen, aus der Donau in den Rhein zu gelangen.
Natürlich war dies ja nicht ausgeschlossen. Allein am Rhein – oder
vielmehr vom Rhein aus – hatte Karl nur gegen die Sachsen Kriege zu
führen, wobei die Angriffslinien und der Nachschub vom Rhein her stets
vollauf genügt hatten. Richtig ist: einzelne Quellen sagen, »um von der
Donau in den Rhein zu fahren«: jedoch erklärt sich dies einfach und
vollständig dadurch, daß sie von dem Ort ausgehen, wo sich der Kaiser
befand, als der Plan gefaßt wurde. Dieser Ort aber war – Regensburg!