Freitag, 30. September 2016

0793 - Kaiser Karl und der Altmühl Kanal

Felix Dahn: Kaiser Karl und seine Paladine - Kapitel 8
Quellenangabe

Navigation:
  • Kapitel 8

Sechstes Kapitel.

Karl und der Südosten: Bayern, Avaren, Südslaven.

Im Südosten der Avaren saßen die Bulgaren, im Nordosten die Madgyaren, beide für Karl unerreichbar; aber auch in rein nordsüdlicher Richtung war den Avaren nicht beizukommen, im Norden waren sie durch unabhängige slavische Völker gedeckt. Die Hauptrichtung für den fränkischen Angriff mußte die von West nach Ost sein: hier bildete Bayern die Grundlage der Bewegungen; waren doch jene mongolischen Unholde Nachbarn der Bayern geworden: bis an die Enns waren sie vorgedrungen, dieser Fluß bildete die Grenze. Dementsprechend verwendete Karl in den Avaren-Kriegen ganz besonders den bayerischen Heerbann, und wie im Kriege hat auch nach dem Frieden der bayerische Stamm sich auch hier wieder die größten Verdienste erworben, indem er nicht nur das Christentum, auch edlere germanische Gesittung in höchst erfolgreicher Besiedelung nach Osten trug. Als natürliche Straße in das Innere des Avaren-Landes bot sich die Donau, welche zuerst (bis Waitzen) westöstlich, dann nordsüdlich, endlich wieder westöstlich ihr weites Gebiet durchzog. Und in ausgedehntestem Maße hat Karl diese Wasserstraße verwertet. Die Hauptschwierigkeit in den Avaren-Kriegen bildete die Entlegenheit des Kriegsschauplatzes von den Hilfsquellen der fränkischen Macht: es war damals – d. h. bei den damaligen Straßen und Verkehrsmitteln – sehr weit von Toulouse bis Paris, von Paris bis Aachen, von Aachen bis Regensburg, von Regensburg bis Belgrad. Karl verwendete nun die Donau dazu, von Regensburg – seinem Ausgangspunkt für die Avaren-Kriege – Mannschaften, ganz besonders aber Lebensmittel, Vorräte, Kriegsgerät jeder Art den vordringenden Heeren nachzuschieben; in dem unwirtlichen Lande war es schwer, Mann und Roß zu verpflegen. Aber er begnügte sich nicht mit ihrem natürlichen Lauf; er hat es ja bekanntlich versucht, die Donau mittels des Mains mit dem Rhein in Verbindung zu setzen, indem er (793) im Suala-Feld, d. h. an der Schwale, einem Nebenfluß der Wernitz, die schwäbische Rezat, einen Nebenfluß der Rednitz, zwischen Pleinfeld und Treuchtlingen (noch heute heißt dort ein Ort »Graben«) durch einen 23 Meilen langen Kanal mit der Altmühl verband, so daß man also vom Rhein in den Main, vom Main durch Rednitz und Rezat in den Kanal, durch diesen in die Altmühl und in die Donau gelangen konnte. (Der heutige Donau-Main-Kanal hat bekanntlich andre Lage und viel geringere Länge.) Es läßt sich beweisen, daß dieser Kanal keineswegs Handelszwecken dienen sollte, wie man behauptet hat. Alle Quellen – und das außerordentliche Werk machte den Zeitgenossen solchen Eindruck, daß auch die dürftigsten Annalen, auch die fernstliegenden Klöster sein erwähnen – bringen den Plan in unmittelbarsten Zusammenhang mit den Vorbereitungen zu einem zweiten Avaren-Krieg, welche Karl im Jahre 793 monatelang zu Regensburg betrieb, nachdem man in dem ersten Feldzug (von 791) die Schwierigkeiten des Nachschubs erfahren und zumal sehr viele Pferde verloren hatte. Man hat auch wohl gemeint, der Kanal habe zwar kriegerischen Zwecken, aber umgekehrt dazu dienen sollen, aus der Donau in den Rhein zu gelangen. Natürlich war dies ja nicht ausgeschlossen. Allein am Rhein – oder vielmehr vom Rhein aus – hatte Karl nur gegen die Sachsen Kriege zu führen, wobei die Angriffslinien und der Nachschub vom Rhein her stets vollauf genügt hatten. Richtig ist: einzelne Quellen sagen, »um von der Donau in den Rhein zu fahren«: jedoch erklärt sich dies einfach und vollständig dadurch, daß sie von dem Ort ausgehen, wo sich der Kaiser befand, als der Plan gefaßt wurde. Dieser Ort aber war – Regensburg!