Regensburg in seiner Vergangenheit und Gegenwart: mit vielen Holzschnitten und 2 Plänen (Google eBook) von Hugo von Walderdorff, 1869
S. 71 ff
12. Obermünster.
Unmittelbar an Mittelmünster schliesst sich westlich das ehemalige reichsunmittelbare Damenstift Obermünster an; es gehört zu den ältesten Stiftungen in Regensburg und mag auch schon zu den Zeiten der Agilolfinger bestanden haben, denn bereits König Ludwig der Deutsche tauschte im Jahre 833 vom Bischofe Baturich diese Abtei gegen Mondsee ein und übergab sie seiner Gemahlin, der Königin Hemma, wodurch die Reichsunmittelbarkeit des Stiftes begründet wurde. Die heilige Königin Hemma wird daher auch als Stifterin verehrt. Durch Kaiser Heinrich II. den Heiligen wurde 1010 die Kirche von Grund aus neu erbaut und mit dem Gute Salach (bei Geiselhöring) beschenkt; der Neubau brannte jedoch im Jahre 1020 ab, wurde aber vom Kaiser sofort wieder hergestellt. Dass Obermünster bei dem allgemeinen Brande von 1152 sehr viel gelitten, wie die Chronisten behaupten, scheint nicht ganz begründet zu sein, da ein grosser Theil der Kirche noch aus den Zeiten Kaiser Heinrich's herrühren dürfte.
Als Kaiser Konrad II. im Jahre 1029 die Schenkung von Salach bestätigte, liess er dem Kloster als Zeichen seiner Huld seinen Scepter zurück, welcher fortan von demselben im Wappen geführt wurde.
Die Nonnen lebten anfänglich nach der Regel des hl. Benedikt, im 15. Jahrhundert wurde aber das Stift gleich Niedermünster ein weltliches adeliges Damenstift und verblieb es, bis es im Jahre 1803 aufgehoben und mit dem damaligen Fürstenthum Regensburg verbunden wurde.
Gegenwärtig dient Obermünster als bischöfliches Clerikalseminar.
Nro. II
Die Kirche ist dreischiffig mit 2 Chorabsiden, einem Kreuzschiffe vor dem "Westchore, einer cassetirten Flachdecke über dem mehr breiten als hohen Schiffe und hat Viereckspfeiler, welche blos eine Kehlung und Platte als Kämpfer, eine Schmiege als Sockel zeigen. Da die Kirche in den Seitenschiffen und im Westchore mancherlei Veränderungen erfuhr, so lässt sich von sonstigen Details wenig mehr erkennen. Erst in den Jahren 1683—J719 unter der Abtissin Maria Theresia von Sandizell wurde der Ostchor erbaut und der Hochaltar in den Westchor verlegt.
Bei einer Restauration im Jahre 1856 kamen in der östlichen Absis Fresken von höchstem Interesse, wohl noch in das 12. Jahrhundert gehörig, zum Vorschein. Viele zierliche Ornamentalformen, die aus verschiedenfarbigen Bändern, au 3 dem Rundbogenfries und aus Medaillen mit Spruchbandengeln bestehen, war ein grossartiges Gemälde angebracht, wahrscheinlich das jüngste Gericht darstellend. Es sind aber nur mehr 17 Personen zu erkennen. Wir sehen hier die Auserwählten vor uns, an der Spitze einen Papst mit der Tiara in ältester Form, dann Bischöfe, Mönche und einen König im Schuppenrocke. Auf der entgegengesetzten Seite sieht man Personen, die von Teufeln ergriffen werden; in der Mitte eine Jungfrau mit gesenkten Händen, vielleicht die fürbittende Gottesmutter.
Eine Restauration im Jahre 1462 hatte bereits manches geändert.
Das nördliche Seitenschiff endet im Osten ebenfalls mit einer Absis. Es ist dies die Grabkapelle des seligen Schotten Mer eher dach (f 1080), in welcher er wenigstens 30 Jahre als Inclusus lebte. Die Inclusen hatten ihre eigene Regel, nach welcher sie in kleinen Zellen unmittelbar an Kirchen ihr Leben mit Beten und Fasten zubrachten; die Zelle hatte keine Thüre, sondern nur 3 Fenster, das Eine gegen die Kirche, das andere auf der entgegengesetzten Seite, wo ihnen die Nahrung gereicht wurde, endlich durch das • dritte wurde die Zelle erhellt; in diesem Raume verblieben sie bis zu ihrem Tode. Mercherdach's Grabstein ist an der nördlichen Wand aufgestellt und zeigt einen bärtigen Pilger mit einem Heiligenscheine und mit einem Wanderstab in der Hand. Oben ist mit Initialen „S. Mercherdach" eingegraben. Das Bildniss besteht nur aus grob eingravirten Strichen. Die Reliquien wurden im Jahre 1707 erhoben und kamen unter den Altar der Capelle; nachdem man sie seit längerer Zeit vermisst hatte, wurden sie in neuerer Zeit wieder aufgefunden. Auch in dieser Capelle sind alte Wandgemälde aus dem 13. Jahrhundert in der Absis gefunden worden; es ist eine Darstellung des Pfingstfestes.*) Maria sitzt mit erhobeuen Händen in der Mitte, die Apostel sind in Bewegung zu ihren Seiten, während der heilige Geist als schwebende Taube leuchtende Strahlen herabsendet. —
Eine grosse Zahl von Grabmälern ist in dieser Kirche angebracht
Das Grab der Königin Hemma ist mit den Worten bezeichnet „Grabstätte der seligen Königin Hemma gestorben den 7. Februar 876." Ein rother Marmorsteiu aus später Zeit, der früher auf dem Grabe lag, ist jetzt an der Wand angebracht. ,
Auch Herzog Heinrich I. von Bayern, Kaiser Otto's I. Bruder, ist hier begraben. (?)
Sehr zierlich ist das Grabmal der Abtissin Barbara von Sandizell (f 1564), aus rothem Marmor.
Sehenswerth sind auch die Denkmale der Abtissinen Barbara von Absberg, Kunigunde von Egloffstein, Sibylla von Paulstorff, Katharina von Redwitz u. s. w.
Ein grosses Kunstwerk im Renaissance-Geschmack (1534 —1540) aus Kelheimer Marmor, ist der Altar zu U. L. Frau, im Nordschiffe, welchen die Abtissin Wandula von Schaumberg stiftete. Das Mittelstück zeigt den Tod Maria; die sieben Freuden Maria füllen die andern Felder.
In der Vorhalle im Norden bewundern wir ein Portal im frühgothischen Uebergangsstyle. Auch hier sind zahlreiche Denkmäler.
1) Das Interessanteste ist die Tumba des Matthaeus (f 1407) und der Margaretha (f 1410) Ranftinger, aus dem ersten Jahrzehen t des 15. Jahrhunderts, in rothem Marmor.
2) Ein Oelberg aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, ist mit dem Wappen der Streitberg, (?), einer Sichel, geziert.
3) Eine Darstellung des Todes U. L. Frau, auf einer Steintafel, ist gut ausgeführt.
4) Das Denkmal der Abtissin Dorothea von Dobeneck (f 1623), ist ein geschmackvolles Werk der Renaissance.
Alle Denkmale zu besprechen, gestattet der Raum nicht.
Der massive Thurm steht nördlich ohne Verbindung mit der Kirche; in seinen unteren Theilen besteht er grösstentheils aus Quadern der alten Stadtmauern, und ist viel älter als der obere Theil aus Bruchsteinen, der dem 12. Jahrhundert anzugehören scheint. An seiner Westseite hängt ein romanisches Krucifix von Holz, dem ein besserer Standort zu wünschen wäre.
Die ehemalige Pfarrkirche zu St. Dionys besteht nicht mehr; sie stand da, wo jetzt der nördliche Flügel des Wohngebäudes erbaut ist.